Die elektronische Patientenakte ist live. Wir zeigen was hinter der ePA steckt und welche Rolle sie bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens spielt.

Digitalisierung bietet keiner Branche einen so großen Nutzen wie dem Gesundheitswesen, denn hier geht es um unser höchstes Gut: unsere Gesundheit. Die elektronische Patientenakte (ePA) will eine bessere Gesundheitsversorgung durch permanente Verfügbarkeit aller notwendigen Daten sicherstellen. Bei der Datenweitergabe zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten sollen keine Stille-Post-Effekte mehr auftreten und Doppeluntersuchungen vermieden werden.

 

Elektronische Patientenakte - Definition

Die gematik (das Kompetenzzentrum des digitalen Gesundheitswesens auf nationaler und europäischer Ebene) beschreibt das Ziel der ePA wie folgt: „Ziel der ePA ist eine umfassende Vernetzung des deutschen Gesundheitswesens sowohl zwischen verschiedenen Fachärzten oder Apotheken als auch zwischen Ärzten, Apotheken und Patienten.“ Durch die ePA liegen medizinische Informationen jederzeit transparent vor, und viele in Papierform ablaufende Arbeitsschritte lassen sich digitalisieren und vereinfachen.

Gleichzeitig ist die ePA einer der wichtigsten Bestandteile der Telematikinfrastruktur (TI) und damit der Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens, dem wahrscheinlich aktuell größten Digitalisierungsvorhaben in Europa. Die drei Anbieter der Aktenlösungen (IBM, RISE und x-tention), die gesetzlichen Krankenkassen, die Betreiberorganisationen sowie die gematik selbst haben bis zuletzt an den Zulassungen gearbeitet.

Die Kontrolle darüber, wer welche Daten sehen darf, liegt beim Versicherten. Die Möglichkeit, online auf Gesundheitsdaten wie etwa den Notfalldatensatz zugreifen zu können, ist die Basis für eine ortsunabhängige, optimale Versorgung. Die ePA, so beschreibt es die gematik weiter, "ist das sichere digitale Zuhause für medizinische Dokumente und damit der Schlüssel zu einer modernen Gesundheitsversorgung."

Gesetzliche Grundlagen für die ePA sind das im Mai 2019 in Kraft getretene Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG), das digitale Versorgungsgesetz (DVG, Dezember 2019), und das Patientendaten-Schutz-Gesetz (PDSG, September 2020). Bereits das TSVG stellt klar, dass die ePA eine versichertengeführte, elektronische Akte ist. Ebenso fordert es bereits "alternative Authentifizierungsverfahren" für Versicherte ohne elektronische Gesundheitskarte (eGK). Hierdurch wird der Zugriff über mobile Endgeräte deutlich erleichtert. Durch DVG und PDSG wurden die Regelungen des TSVG sukzessive ergänzt und detailliert.

Die ePA umfasst folgende Grundprinzipien:

  • Freiwillige Nutzung: Die Nutzung der ePA durch die Versicherten ist freiwillig. Die Einrichtung des Aktenkontos erfolgt durch den Versicherten und kann jederzeit pausiert, beendet oder wieder aufgenommen werden.
  • Der Versicherte bestimmt selbst über seine Daten: Der Versicherte allein entscheidet, welche Daten in der elektronischen Patientenakte gespeichert und wieder gelöscht werden. Er bestimmt auch in jedem einzelnen Fall, wer (wie lange) auf die ePA zugreifen darf.
  • Zentrale, sichere Datenablage: Alle medizinischen Daten können mit der ePA zentral an einem sicheren Speicherort abgelegt werden.

 

ePA - Status Quo

Der Funktionsumfang der elektronischen Patientenakte in Stufe 1, wie sie nun von den gesetzlichen Krankenkassen angeboten wird, ist noch begrenzt. Die fundamentalen Prinzipien der ePA sind jedoch bereits implementiert und bilden auch die Basis für die weitere Entwicklung.

Als versichertengeführtes Aktensystem gehören zum Funktionsumfang der ePA 1.1 natürlich das Einrichten und Schließen des Kontos selbst, aber auch die Vergabe der Berechtigungen (siehe Abbildung 1). Auch wenn die Spezifikationen in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und der Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI) entwickelt wurden, gab es kürzlich deutliche Kritik durch den BfDI . Die Kritik gilt der fehlenden Granularität bei der Berechtigungsvergabe, denn in der ersten Stufe kann ein Versicherter beispielsweise einem Arzt nur die gesamte elektronische Patientenakte freigeben und nicht einzelne Dokumente. Laut PDSG ist ein granulareres Berechtigungskonzept für die ePA 2.0 geplant bzw. gefordert.

ePa Abb 1
Abbildung 1: Funktionen und Anwendungen der ePA, Stufe 1.1.


Der Funktionsumfang sieht neben der Speicherung von eigenen Daten, jpg- und pdf-Dateien auch bereits elektronische Notfalldaten und den eMedikationsplan (eMP) vor. Mit der ePA 2.0 soll der Funktionsumfang künftig deutlich steigen. Aber auch in den oben genannten Anwendungen verbergen sich bereits Nutzenpotenziale für die unterschiedlichen Akteure. Hier einige Beispiele:

  • Versicherte können mit der elektronischen Patientenakte zu ihrer eigenen individuellen Gesundheitsversorgung beitragen, indem sie bestimmen, wer welche Daten einstellen und abrufen kann, oder selbst Daten einstellen.
  • Ärzte sehen alle wichtigen Informationen (nach Freigabe durch den Patienten) in der ePA auf einen Blick, z. B. Arztbriefe von Fachärzten, Entlassbriefe von Krankenhäusern, Diagnosen oder Informationen zu Weiter-behandlungen.
  • Apotheker können Ihre Kunden besser beraten, wenn in der ePA Unverträglichkeiten und Medikationspläne hinterlegt sind.
     

Die Einführung der elektronischen Patientenakte erfolgt in diesem Jahr stufenweise:

  • Q1/2021 ist die Einführungs- und Testphase zur Überprüfung und Sicherstellung der Leistungsfähigkeit.
  • Im Q2/2021 startet nach erfolgreicher Testphase der Rollout.
  • In Q3 und Q4/2021 findet dann die flächendeckende Vernetzung von Praxen, Krankenhäusern und Apotheken statt.
ePa Abb 2
Abbildung 2: Einführung der ePA im Jahr 2021


Der Sinn und Nutzen der ePA steht und fällt mit der Akzeptanz bei den Versicherten sowie mit der durchgängigen Anbindung der verschiedenen Leistungserbringer. Um sicherzustellen, dass die Leistungserbringer alle an die TI angebunden sind, auf die elektronische Patientenakte zugreifen können und diese auch befüllen, gibt es sowohl Anreize als auch Sanktionen. So bekommen Ärzte für die Erstbefüllung der ePA zehn Euro; Krankenhäuser werden für die Speicherung von Daten in der elektronischen Patientenakte bei stationären Behandlungen mit fünf Euro vergütet. Demgegenüber droht Ärzten die Kürzung der Vergütung vertragsärztlicher Leistungen um ein Prozent ab dem 01.07.2021, wenn sie nicht über Komponenten und Dienste zur Nutzung der ePA verfügen.

Die Bereitstellung der elektronischen Patientenakte selbst durch die Krankenkassen war mit schwerwiegenden Sanktionen belegt. Diese betrugen zum 01.01.2021 2,5-prozentige Kürzungen der Zuweisungen beim Jahresausgleich gemäß der Risikostruktur-Ausgleichverordnung bei fehlender ePA-Zulassung durch die gematik.

 

Elektronische Patientenakte - Roadmap

Mit der elektronischen Patientenakte steht das Gesundheitssystem am Anfang einer langen digitalen Reise: Die aktuellen Informationen über die weiteren Entwicklungsstufen der ePA geben einen Ausblick auf jährliche Releases der ePA für die nächsten drei Jahre. Jeweils zum 01.01. der Jahre 2022, 2023 und 2024 fordert der Gesetzgeber weitere Funktionen, wie die nachstehende Grafik zeigt:

ePa Abb 3
Abbildung 3: Entwicklungsstufen der ePA


ePA 2.0

Mit der ePA 2.0 kommen wichtige Neuerungen wie etwa das feingranulare Berechtigungsmanagement, neue Dokumentenkategorien, insbesondere für Passdokumente, und Rollenprofile für insgesamt elf Berufsgruppen.

Das Berechtigungsmanagement, das wie oben beschrieben vom BfDI kritisiert wurde, wird ab 2022 über drei Stufen der Granularität verfügen: grobgranulare Berechtigungen über Vertraulichkeitsstufen, mittelgranulare Berechtigungen über Fachgebiete und Dokumentenkategorien und feingranulare Berechtigungen bis hinunter auf die Ebene einzelner Dokumente.

Mit der ePA 2.0 werden für folgende Berufsgruppen Rollenprofile eingeführt, die auch im Berechtigungsmanagement genutzt werden: Neben Ärzten, Apothekern und Psychotherapeuten sind dies auch Rollen aus der Pflege, Physiotherapie und Entbindungspflege.

Eine bedeutende Erweiterung der Funktionalität stellt die Einführung der neuen Dokumentenkategorien dar, die als sogenannte Medizinische Informationsobjekte (MIO) festgelegt werden. Damit werden dann viele Passdokumente wie Impfpass, Mutterpass oder das U-Heft als strukturierte, das heißt digital lesbare und auswertbare Informationen in der ePA hinterlegt. Durch die Vielzahl an MIOs, die bereits 2022 eingeführt werden, steigt auch der Nutzen für alle Beteiligten stark an, etwa in Form der automatisierten Verträglichkeitsprüfung des eMP.

ePA 3.0

Ein Blick auf die weitere Entwicklung zeigt, dass Versicherte ab 2023 die in der elektronischen Patientenakte abgelegten Daten freiwillig pseudonymisiert und verschlüsselt der medizinischen Forschung zur Verfügung stellen können. Zudem wird die ePA um weitere digitale Dokumentenformate erweitert, wie etwa Daten zur pflegerischen Versorgung, Ernährungsinformationen und -pläne und sonstige von behandelnden Ärztinnen bzw. Ärzten oder anderen Leistungserbringern bereitgestellte Daten.

ePA 4.0

Bezüglich der vierten ePA-Stufe lässt sich heute noch nicht genau sagen, wie diese ausgestaltet sein wird. Bekannt ist die Zielsetzung, ab 2024 eine elektronische Patientenakte im Einsatz zu haben, die auch grenzüberschreitende eHealth-Anwendungen unterstützt.

 

ePA - weitere Entwicklungen

Die ePA selbst ist als Fachanwendung Teil der TI, das heißt die Spezifikationen für die elektronische Patientenakte werden in den Releases der TI beschrieben und stehen damit in direktem Zusammenhang zu anderen Fachanwendungen der TI. Weitere bedeutende Fachanwendungen der TI sind „KIM“ (Kommunikation im Medizinwesen) und das eRezept. Neben diesen wird im folgenden auch die zukünftige Bedeutung der eGK (elektronische Gesundheitskarte) kurz beleuchtet.

KIM

KIM ist der sichere Kommunikationsdienst der gematik, der ab Oktober 2021 verpflichtend ist. Über KIM werden E-Mails, Befunde, signierte Dokumente wie Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) oder Arztbriefe und andere vertrauliche Dokumente ausgetauscht. Die Funktionalität ähnelt einem E-Mail- oder Messenger-Dienst. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung und elektronische Signaturen schaffen dabei die notwendige Sicherheit für hochsensible Gesundheitsdaten. So wird sichergestellt, dass Inhalte unverfälscht und Absenderinformationen authentisch sind. Zudem sieht der aktuelle Referentenentwurf des Gesetzes zur digitalen Modernisierung von Versorgung und Pflege (DVPMG) die Einbindung der Patientenkommunikation in Form von Messenger- (ab 2023) und Videofunktion (ab 2024) vor.

eRezept

Mit dem eRezept können Ärzte ihren Patienten Rezepte digital ausstellen. Damit entfällt das Papier und es wird für Patienten deutlich einfacher: Sie brauchen sich nicht am Ende des Arztbesuches das Rezept abholen, denn sie haben es direkt digital in ihrer eRezept-App. Sie können dann direkt in der App nachschauen, ob die Medikamente in der Apotheke ihrer Wahl vorrätig sind, und diese dort dann bestellen und abholen.

Das eRezept ist eine bedeutende Fachanwendung der TI für die Digitalisierung des deutschen Gesundheitswesens. Es kann viele Abläufe in der Arzneimittelversorgung verbessern und die Arzneimittelsicherheit fördern. Eingeführt wird es ab Mitte 2021 und ab 2022 ist es bundesweit für gesetzlich Versicherte und apothekenpflichtige Arzneimittel verpflichtend.

eGK

Die eGK ist seit Anfang 2015 ausschließlicher Versicherungsnachweis, um medizinische Leistungen in Anspruch nehmen zu können. Mit der ePA wird nun ein alternatives Authentifizierungsverfahren implementiert, das eine Authentifizierung zum Zugriff auf die ePA ohne die Karte ermöglicht. Damit ist zu erwarten, dass die eGK – insbesondere, wenn, wie im Referentenentwurf des DVPMG vorgesehen, ab 2023 sogenannte Digitale Identitäten eingeführt werden – selbst über kurz oder lang ganz verschwindet.

 

Elektronische Patientenakte - ein Ausblick

Mit der Einführung der ePA zum 01.01.2021 ist ein wesentlicher Meilenstein erreicht, auch wenn die Funktionalität eher noch gering ist und der flächendeckende Rollout erst im zweiten Halbjahr kommt. Für die nächsten Jahre gibt es bedeutende Pläne für die Weiterentwicklung der TI und ihrer Fachanwendungen. Diese bieten das Potenzial, viele Abläufe im Gesundheitswesen zu optimieren und damit auch die Versorgung der Patienten und Versicherten in Deutschland zu verbessern.

Wie wird demnach das Gesundheitssystem in zehn Jahren aussehen? Aus Sicht von Jens Spahn werden Apps und an das Smartphone angeschlossene Sensoren dafür sorgen, dass wir alle für eine Vielzahl von Tests nicht erst zum Arzt müssen, sondern in unserem Alltag integriert Vitaldaten sammeln und KI-unterstützt auswerten lassen können, wenn wir es denn wollen: "Wer will, kann jeden Tag über sich und seine Gesundheit so viel mehr wissen als heute nach einem Besuch beim Arzt. Das wird so viel in den nächsten zehn Jahren verändern, wie wir es uns heute noch gar nicht vorstellen können."

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